Wir müssen auf null Emissionen kommen“ – die Erforschung der Treibhausgase in der Atmosphäre
PD Dr. Ralf Sussmann, Leiter der Arbeitsgruppe „Atmosphärische Variabilität und Trends“, berichtet von Methoden und Erkenntnissen aus der Forschung.
Mit welchen Methoden arbeiten Sie und Ihr Team, um den Treibhauseffekt zu erforschen?
PD Dr. Ralf Sussmann: Wir messen mithilfe von Infrarotstrahlung die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre, vom Boden bis in circa 80 Kilometer Höhe. Treibhausgase absorbieren Infrarotstrahlung, und zwar jedes Treibhausgas auf einer anderen Frequenz. Wir können daraus Rückschlüsse ziehen, wie hoch die Konzentration der jeweiligen Gase ist.
Für eine derartige Infrarot-Fernsondierung verwenden wir zum Beispiel das Laserradarverfahren. Damit kann man unter anderem das Treibhausgas Wasserdampf messen: Wir schießen zwei Laserstrahlen bis hoch in die Atmosphäre. Ein Laserstrahl entspricht dabei der Resonanzfrequenz von Wasserdampf, der andere dient als Referenzstrahl und ist auf eine andere Frequenz eingestellt.
Die Rückreflexe der Laserstrahlen fangen wir mit einem großen Empfangsteleskop auf. Ist an einem Tag zum Beispiel viel Wasserdampf in der Atmosphäre, kommen von dem Laserstrahl auf der Resonanzfrequenz von Wasserdampf wenig Rückreflexe zurück, weil der Laserstrahl durch den Wasserdampf absorbiert wurde. Der Referenzstrahl hingegen kommt weitgehend ungeschwächt zurück.
Diese Messungen können wir für alle möglichen Höhen durchführen. Wir wissen dann, wie hoch die Konzentration von Wasserdampf in den unterschiedlichen Höhenlagen ist.
Neben dem Laserradarverfahren arbeiten wir auch mit natürlichen Strahlungsquellen wie dem Sonnenlicht. Die Infrarotstrahlung der Sonne dringt vom Weltraum aus in unsere Atmosphäre ein. Mit einem Spektrometer, also einem Messgerät, das Strahlung in seine einzelnen Wellenlängen zerlegen kann, und mithilfe von zwei computergesteuerten Spiegeln können wir das Spektrum der Sonne vermessen. So können wir sogenannte Dunkelstellen entdecken, an denen das Licht unterwegs geschwächt wird. Das passiert zum Beispiel bei der Infrarotfrequenz, die vom Treibhausgas CO2 absorbiert wird. Je mehr sich das Sonnenlicht der Erde nähert, desto dunkler werden diese Stellen. Daran erkennt man: Die Konzentration von CO2-Molekülen in der Atmosphäre steigt an.
Anhand der Absorption von Infrarotstrahlung aus Sonnenlicht messen PD Dr. Ralf Sussmann und sein Team die Konzentration von Treibhausgasen in unserer Atmosphäre auf der Zugspitze
Welche Erkenntnisse ergeben sich aus Ihren Messungen zu den Treibhausgasen CO2 und Methan?
PD Dr. Ralf Sussmann: Die CO2 -Konzentration steigt kontinuierlich und linear an, unverändert von Jahr zu Jahr. Seit dem Beginn der Industriellen Revolution hat sich die Konzentration um rund 45 Prozent erhöht. In 2020 hatten wir einen neuen Rekord-Höchstwert trotz Corona-Lockdown, trotz aller Klimakonferenzen und ernsthafter Bemühungen.
CO2 hat eine sehr hohe Verweildauer in der Atmosphäre, weit über 1000 Jahre. Das heißt: Die CO2-Moleküle aus der Zeit der Industriellen Revolution sind noch immer in unserer Atmosphäre und werden noch weitere 900 Jahre dort bleiben.
Interessanterweise ist der Effekt des Corona-Lockdowns auf unserer atmosphärischen CO2-Anstiegskurve nicht ablesbar. Es gab durch den Lockdown zwar Schätzungen zufolge einen um acht Prozent verminderten CO2-Ausstoß in 2020, doch das hat sich nicht in Form einer Verflachung des atmosphärischen CO2-Konzentrationsansteigs erkennen lassen. Das liegt an den Schwankungen der natürlichen Kohlenstoffsenken der Erde, die etwa die Hälfte der menschgemachten CO2-Emission aufnehmen. In einem Jahr nehmen Wälder oder Ozeane mehr Kohlenstoff auf, im anderen weniger, abhängig von Schwankungen der Temperaturen durch natürliche Klimavariabilität. Die acht Prozent geringeren CO2-Emissionen in 2020 fallen so hinsichtlich der in diesem Jahr zusätzlich in die Atmosphäre gelangenden CO2-Menge nicht ins Gewicht.
Der Methan-Anstieg verläuft viel steiler als der Anstieg von CO2, mit einer Verdreifachung der atmosphärischen Konzentrationen im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Ab 2007 zeigen unsere Zugspitze-Messungen einen sehr plötzlichen neuerlichen Anstieg in der Atmosphäre. Methan fällt zum Beispiel bei Landwirtschaft und Viehzucht, aber auch bei der Erdgas- und Erdölförderung an. In 2007 hat auch der gewaltige Fracking-Boom in den USA eingesetzt. Das ist ein modernes, sehr umweltschädliches Verfahren, um Erdgas und Erdöl auch aus bröckeligem Gestein wie Schiefer fördern zu können. Unsere zeitgleichen Messungen von Ethan, das nur in der Öl- und Gasförderung mit anfällt, nicht jedoch in der Nahrungsmittelproduktion, belegen: Der gesamte neuerliche Anstieg an Methan in der Atmosphäre seit 2007 lässt sich zu mindestens 40 % auf die Öl- und Gasförderung zurückführen.
Wichtig zu wissen: Methan verschwindet zwar schon nach durchschnittlich zehn Jahren wieder aus der Atmosphäre. Allerdings richtet es in der Zeit bezogen auf die Klimaerwärmung im Vergleich zu CO2 viel größere Schäden an: Für das Klima ist Methan auf der relevanten Zeitskala von 10 Jahren etwa 100-mal wirksamer als CO2.
Was ist Ihr Fazit aus den Ergebnissen der bisherigen Forschung, bezogen auf die Zukunft im Klimawandel?
PD Dr. Ralf Sussmann:Ich verwende für CO2 gerne das Beispiel einer Badewanne, um das Problem zu verdeutlichen: Unten ist der Stöpsel zu und oben läuft Wasser rein. Irgendwann gibt es einen Punkt, an dem die Badewanne überläuft. Wir haben schon am Beispiel des Corona-Lockdowns gesehen: Selbst, wenn sich die Menschen sehr einschränken, bringt das nicht genug.
Der Hahn muss vollständig zugedreht werden, wir müssen auf null CO2-Emissionen kommen. Einsparungen einzelner Menschen können das nicht leisten.
Bei Methan, das ja nach einer Dekade wieder aus der Atmosphäre verschwindet, genügt es, konstante anthropogene Emissionen anzustreben, um die Klimakatastrophe durch weiter steigende Atmosphärenkonzentrationen zu verhindern. Aber dies sollte bitte auf die notwendigen Methanemissionen aus der Nahrungsmittelproduktion beschränkt werden.
Wir brauchen das Ende aller Treibhausgas-Emissionen aus fossilen Energieträgern. Es bleibt dafür nicht mehr viel Zeit, sonst kommt es zur Klima-Katastrophe. Deshalb muss die Politik jetzt in die Pflicht genommen werden. Wir brauchen einen kompletten Umbau des Energiesektors, der Industrie, des Verkehrs, des Transportwesens und der Haushalte. Das muss weltpolitisch koordiniert werden.
Fotoportrait von PD Dr. Ralf Sussmann als Teil einer Kunstausstellung von 100 bekannten Persönlichkeiten im Bereich der Klimawissenschaften in Deutschland. Copyright: Dr. Andreas Pohlmann 714
Zur Person
Der Atmosphärenphysiker und -chemiker PD Dr. Ralf Sussmann ist Leiter der Arbeitsgruppe „Atmosphärische Variabilität und Trends“ des Karlsruher Instituts für Technologie, Campus Alpin in Garmisch-Partenkirchen und Privatdozent an der Universität Augsburg. Er und sein Team forschen an den Standorten Garmisch-Partenkirchen, dem Zugspitze-Gipfel und dem Schneefernerhaus.