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Wie Natur- und Klimaschutz zusammenhängen

Vor welchen Herausforderungen der Naturschutz durch den Klimawandel steht, erläutert Dr. Michael Joneck, Leiter des Klima-Zentrums im Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) im Interview.

Welche neuen Herausforderungen bringt der Klimawandel für den Naturschutz mit sich?

Das Tagesgeschäft im Naturschutz sind die Pflege und der Erhalt von Lebensräumen und deren Arteninventar. Diese Schutzgüter sind durch den Klimawandel bedroht. Naturschützerinnen und -schützer stehen nun vor der Frage, wie mit dieser zusätzlichen Belastung für die Ökosysteme umgegangen werden kann beziehungsweise, wie die Folgen des Klimawandels abgefedert werden können.

Was kann Naturschutz leisten, um diese Klimafolgen abzumildern?

Dr. Michael Joneck: Der Naturschutz hat die Aufgabe angepasste, flexible Schutzkonzepte zu erarbeiten – ein adaptives Management ist gefragt. Schutzziele und Prioritäten müssen hinterfragt werden. Es muss auch die Frage zugelassen werden, wo Lebensräume unter den Bedingungen des Klimawandels realistisch und mit vertretbarem Aufwand erhalten werden können und wo man gegebenenfalls einen Verlust akzeptieren muss. Viele Zusammenhänge und Effekte der Klimaveränderungen auf wertvolle Lebensraumtypen hat die Forschung aber noch nicht durchdrungen. Hier können Forschungsprojekte Abhilfe schaffen.
Eine bedeutende Herausforderung für den Naturschutz ist ebenfalls, dass intakte Natur in Zeiten des Klimawandels umso wichtiger ist. Gerade jetzt sind wir mehr denn je auf funktionierende Ökosysteme und deren Serviceleistungen für uns angewiesen. Wir brauchen Naturräume, die Hochwasser zurückhalten, Hitzewellen abmindern oder Wasser für trockenere Jahreszeiten speichern können.


Was kann der Naturschutz leisten, um die durch den Klimawandel verursachten Änderungen abzufangen?

Dr. Michael Joneck: Ich möchte dazu gerne einen etwas abstrakten Vergleich anstellen: Erfolgreicher Naturschutz ist wie die gute Fee im Märchen von Dornröschen: Er kann den Fluch des Klimawandels zwar nicht aufheben, die Folgen für Lebensräume und Arten aber etwas abschwächen und ausgleichen. Dafür stehen eine Reihe bekannter „Werkzeuge“ zur Verfügung: Die Ausweisung von Schutzgebieten, deren vielfältige Gestaltung und Vernetzung, so dass vom Klimawandel gebeutelte Arten Rückzugs- und Ersatzlebensräume finden und erreichen können. Außerdem ist im Naturschutz alles gefragt, was die sogenannte Resilienz, sprich Widerstandskraft, von Lebensräumen und Arten gegenüber Klimaveränderungen erhöht. Denn je intakter und diverser ein Ökosystem ist, desto besser kann es Störungen tolerieren, ohne zu kollabieren. Wichtig ist auch das Management von durch den Klimawandel begünstigten und dadurch in andere Gebiete eindringenden Arten.

Welche konkreten Möglichkeiten gibt es, Ökosysteme an den Klimawandel anzupassen?

Dr. Michael Joneck: Ich denke zum Beispiel an die Wiederherstellung des ursprünglichen Grundwasserspiegels in Mooren und Auen oder die Renaturierung von Bächen, Flüssen und Auen. Letzteres kommt nicht nur der Natur zugute und erhöht die Resilienz gegenüber den Folgen des Klimawandels, sie schafft darüber hinaus auch einen natürlichen Stauraum für Wasser und reduziert so Hochwasserspitzen.
Der Naturschutz kann nicht zaubern, aber er kann die heimischen Arten bei ihrer Anpassung und ihrem Überleben in einer veränderten Umgebung unterstützen. Wenn der Klimawandel nicht gestoppt werden kann, wird sich das Artenspektrum in Bayern dauerhaft verschieben und wir werden Arten und Lebensräume in bedeutendem Umfang verlieren – allerdings auch neue hinzugewinnen.

Häufig wird im Naturschutz von Klimaanpassungen gesprochen. Worin besteht hier der Unterschied zum Klimaschutz?

Dr. Michael Joneck: Klimaschutz und Klimaanpassung sind die beiden Seiten der gleichen Medaille – sie müssen gemeinsam gedacht werden. Klimaschutz bedeutet, dass die Emissionen von Treibhausgasen wie Kohlendioxid oder Methan, um nur zwei zu nennen, reduziert werden. Das politische Ziel ist es, bis 2050 die Treibhausgasbilanz global so weit zu senken, dass diese bei Netto null liegt. Der Klimaschutz bekämpft die Ursachen des Klimawandels. Er sorgt auch dafür, dass die Grenzen der Klimaanpassung nicht überschritten werden. Bei der Klimaanpassung wirkt man den heute bereits auftretenden Folgen des Klimawandels entgegen. Klimaanpassung bekämpft somit nicht die Ursachen des Klimawandels, sondern dessen Symptome. Ich nenne mal ein konkretes Beispiel für eine Klimaanpassung: Im Falle steigender Sommertemperaturen mit zunehmenden Hitzeperioden forcieren zum Beispiel Städte und Gemeinden den Ausbau ihrer „grünen und blauen“ Infrastruktur. Dies geschieht unter anderem durch Parks, straßenbegleitende Baumalleen, Dach- und Fassadengrün oder offene Wasserflächen (blaue Infrastruktur). Diese Klimaanpassungen sorgen dafür, dass unsere Städte bereits tagsüber abkühlen, und schafft Räume für angenehme Aufenthaltsmöglichkeiten trotz Hitze.

"Der Naturschutz kann nicht zaubern, aber er kann die Folgen des Klimawandels für Lebensräume und Arten etwas abschwächen und ausgleichen."

Dr. Michael Joneck

Sie haben davon gesprochen, dass Lebensräume von Pflanzen und Tieren durch den Klimawandel bedroht sind. Wie hängt das zusammen und was bedeutet das genau?

Dr. Michael Joneck: Durch Klimaveränderungen verändern sich die Lebensbedingungen von Tieren und Pflanzen. Wird es heißer und trockener, dann stehen Nahrung aber auch Wohnstätten und andere wichtige Strukturen nicht mehr ausreichend zur Verfügung. Manche Art gerät an ihre körperlichen Grenzen und kämpft ums Überleben. Besonders betroffen sind Spezies, die auf eine kühle und/oder feuchte Umgebung angewiesen sind. Daraus resultiert, dass beispielsweise alpine Arten der Hochlagen in Bayern oft zu den Klimaverlierern gehören. Wird es wärmer, weichen diese Arten „nach oben“ aus, um ihre optimale Temperatur beibehalten zu können. Das ist aber nur bis zur Bergspitze oder zur Felswand möglich. Diese Entwicklung konnten Naturschützerinnen und -schützer in Bayern bei einigen Pflanzen- und Laufkäferarten beobachten. Aber auch für Birk- und Auerhühner, die auf waldfreie, kühle Gebiete angewiesen sind, ist es problematisch, wenn sich die Waldgrenze aufgrund der Erwärmung immer weiter nach oben verlagert.
Besonders klimasensibel sind auch hochangepasste Arten, die z.B. eng an eine andere Art gebunden sind. In diesem Fall ist der Klimawandel dazu in der Lage für eine zeitliche oder räumliche Entkopplung zu sorgen. Ein Beispiel dafür: Eine Nahrungspflanze steht einem Insekt nicht mehr zum optimalen Zeitraum als Futter zur Verfügung oder wandert ganz und gar aus dem Lebensraum des Insektes ab. Betroffen davon ist zum Beispiel die Glockenblumen-Scherenbiene. Sie ist ausschließlich auf Glockenblumen als Nahrungspflanze spezialisiert ist. Verschwindet die Glockenblume klimawandelbedingt in einer Region, kann auch die Scherenbiene nicht weiterexistieren. Es sei denn sie schafft es sich eine andere Nahrungsquelle zu erschließen. Aber dazu bräuchte die Scherenbiene Zeit, die ihr aber der rasante Klimawandel nicht geben wird..

Welche Möglichkeiten gibt es, um dem Klimawandel entgegenzuwirken und wie blicken Sie in die Klima-Zukunft?

Dr. Michael Joneck: Die Möglichkeiten dem Klimawandel entgegenzuwirken sind vielfältig. Das geht vom Energiesparen und dem Einsatz erneuerbarer Energien über eine nachhaltige Mobilität und klimabewusste Ernährung bis hin zu unseren allgemeinen Konsumgewohnheiten. Jede und jeder Einzelne in unserer Gesellschaft ist gefordert. Was die Frage zur Klima-Zukunft betrifft: Für mich und meine Kolleginnen und Kollegen vom Klima-Zentrum ist der Blick auf das zukünftige Klima ein ziemlich komplexer, wissenschaftsgeleiteter Prozess. Wir greifen auf die von der Wissenschaft, zum Beispiel auf die von Universitäten und internationalen Forschungsinstitute bereitgestellten Daten regionaler Klimasimulationen zurück und prüfen, inwieweit diese für das vergangene, gemessene Klima in Bayern übereinstimmende Ergebnisse liefern. Wenn das der Fall ist, schauen wir uns diese plausiblen Modelldaten an und werten sie für Bayern aus. Da wir nicht wissen, wie ernsthaft Klimaschutz zukünftig betrieben wird, unterscheiden wir dabei vor allem zwei Zukunftsszenarien. Zum einen das Szenario „mit Klimaschutz“, das die Einhaltung des 2°C-Ziels des Pariser Klimaschutzabkommens vorsieht. Zum anderen das Szenario „ohne Klimaschutz“, das von einem mehr oder weniger ungebremsten Klimawandel ausgeht. Für jedes dieser Szenarien berechnen wir eine ganze Reihe von Klimakennwerten. Neben Temperatur und Niederschlag zum Beispiel auch Hitzetage und Tropennächte oder Starkregentage und Trockenperioden. Durch den Vergleich beider Szenarien, ist ersichtlich, was Bayern durch Klimaschutz klimatisch gewinnen kann. Die Klima Zukunft Bayerns, aber auch die Vergangenheit kann sich jeder für seine Region im Bayerischen Klimainformationssystem direkt ansehen.

Das Bild zeigt Dr. Jonek

Dr. Michael Joneck Leiter Klima-Zentrum im Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU). Foto: © privat

Zur Person

 

Dr. Michael Joneck leitet seit Juli 2021 das neu gegründete Klima-Zentrum am Bayerischen Landesamt für Umwelt und ist stellvertretender Leiter des Schwerpunkts „Klima und Energie“. Bereits vor der Gründung des Klima-Zentrums hat er am Bayerischen Landesamt für Umwelt verschiedene Arbeitsgruppen zum Themenkomplex Klimawandel geleitet. Er ist verantwortlich für die Analyse aktueller Klimaänderungen und die Beschreibung der zukünftigen Klimaentwicklung in Bayern sowie für die Entwicklung von Strategien zur Klimaanpassung. Außerdem vertritt er Bayern in verschiedenen klimabezogenen Fachgremien von Bund und Ländern.

3 Fragen

Auf welchem Gebiet sind Sie beim Klimaschutz Experte?

Die Arbeitsschwerpunkte des LfU Klima-Zentrums sind die Gebiete Klimawandel, Klimafolgen und Klimaanpassung. Der Fokus ist auf Bayern und seine Klimaregionen sowie auf Gemeinden und Städte gerichtet. Ich war 3 Jahre lang Vorsitzender der LAWA-Expertengruppe „Klimawandel“ und würde mich als Leiter des LfU-Klima-Zentrum eher als fachlich sattelfest denn als Experte bezeichnen. Klar ist, dass die Klimathemen so vielschichtig und komplex sind, dass es ein „Experte“ allein nicht schafft sie im Detail zu überblicken oder gar zu bearbeiten. So dürfte wie bei mir selbst auch, hinter jedem erfolgreichen Experten ein Team von Einzelkönnern und -könnerinnen stehen, das mit Freude, unglaublichem Engagement und profundem Fachwissen diese komplexen Fragestellungen erledigt.

Seit wann forschen Sie im Bereich Klimaschutz?

Dr. Michael Joneck leitet seit Juli 2021 das neu gegründete Klima-Zentrum am Bayerischen Landesamt für Umwelt und ist stellvertretender Leiter des Schwerpunkts „Klima und Energie“. Bereits vor der Gründung des Klima-Zentrums hat er am Bayerischen Landesamt für Umwelt verschiedene Arbeitsgruppen zum Themenkomplex Klimawandel geleitet. Er ist verantwortlich für die Analyse aktueller Klimaänderungen und die Beschreibung der zukünftigen Klimaentwicklung in Bayern sowie für die Entwicklung von Strategien zur Klimaanpassung. Außerdem vertritt er Bayern in verschiedenen klimabezogenen Fachgremien von Bund und Ländern.

Was sind Ihre Ziele? Was wollen Sie für den Klimaschutz erreichen?

Folgendes Zitat ist für mich persönlich Motivation und Leitspruch zugleich: „Wir haben die Welt nicht von unseren Eltern geerbt – sondern von unseren Kindern geliehen“. Als Vater von vier Kindern möchte ich mit meiner Arbeit und meiner Lebenseinstellung dazu beitragen, dass die Welt auch noch für die nachfolgenden Generationen ein Ort ist, an dem es sich lohnt zu leben - weltweit.